Die Tatsache, dass beim vergangenen Filmfestival in Cannes nur 3 von 19 Filmen im Wettbewerb von Frauen waren, hat wieder viele Fragen aufgeworfen. Ist es das Abbild einer ignoranten Festivalprogrammierung oder eher der gesamten Filmbranche? Das fragte sich auch Jurymitglied Maren Ade: “I think the sad thing is that the amount of women in the festival, it really reflects the reality. … There really needs to be a profound change; there need to be more films made by women, period”.

Mehr Filme von Frauen würden sicher auch andere Frauenfiguren auf die Leinwand bringen, ein Wunsch von Ades Jurykollegin Jessica Chastain, die von der Darstellung einiger weiblicher Charaktere in den Wettbewerbsfilmen verstört war.

Mit Sofia Coppola zeichnete die Jury erst zum zweiten Mal eine Frau mit dem Preis für die beste Regie aus. Vor ihr erhielt die russische Filmemacherin Julia Solntseva 1961 diese Auszeichnung. Wenn sich Cannes weiter in diesem Tempo öffnet, würde Jane Campion, die bisher einzige Gewinnerin einer Goldenen Palme, erst 2049 weibliche Gesellschaft bekommen. Bei der Feier zum 70. Jubiläum des Festivals war Campion wieder die einzige Regisseurin unter vielen Männern. Dabei wäre Campion die erste, die ihren Ruhm gern teilen würde: Unermüdlich setzt sie sich für die Förderung von Filmemacherinnen ein und fordert interessantere, komplexere Frauenrollen. Dazu passt auch das Statement von Isabelle Huppert im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten: „70 Jahre Cannes, 76 Palmen, nur eine einzige ging an eine Frau. Kein Kommentar.”

Weitere Schauspielerinnen und Filmemacherinnen haben während des Festivals immer wieder die Gelegenheit ergriffen, das Thema anzusprechen. Nicole Kidman forderte, dass es in allen Berufssparten mehr Frauen geben muss: “Still only about four percent of women directed the major motion pictures of 2016”. Diane Kruger meinte, dass andere Blickwinkel zum Tragen kommen, wenn sie mit Frauen arbeitet: “I find that they are maybe more profound, a little less single-dimensional.” Robin Wright sprach über ganz persönliche Erfahrungen mit Geschlechterungerechtigkeit in der Filmbranche: „Feminism today has become such a derogatory or diva-like word. Feminism means equality, period. Equal work, equal pay”.

Es gab auch wieder einige Diskussionsveranstaltungen im Rahmen des Festivals, die sich dem Thema Gender Equality widmeten.

Melissa Silverstein, die sich seit Jahren mit ihrem Blog Women and Hollywood für Gender Diversity in der Filmbranche einsetzt, hat zu einem Netzwerktreffen geladen: Auf Einladung des schwedischen Filminstituts stellten ca. zwanzig Frauen aus aller Welt Initiativen vor, die sie in ihrem jeweiligen Land betreiben, um Frauen in der Filmbranche zu mehr Sichtbarkeit und gerechterer Mittelvergabe zu verhelfen.
Von „Salons“ der Producers Guild America, bei denen 50 BotschafterInnen im Studiosystem aktiv sind, zu „Raising Film“, einer Initiative, die filmische Karrieren in Verbindung mit Kindererziehung unterstützt, von SWAN, dem Swiss Women Audiovisual Network zum Women’s Media Summit, der von WIFT UK durchgeführt wird, wurden hier zahlreiche Unternehmungen präsentiert. FC Gloria war natürlich auch vertreten und hatte aufgrund der großen Fülle an Maßnahmen auch Role-Model-Funktion. Ein sehr inspirierendes Event, das Melissas Parole „Educate, Advocate, and Agitate!“ durchaus gerecht wurde.

In der Diskussion Women Voices from the Arab World im Rahmen des DOC DAY berichteten Filmemacherinnen und Produzentinnen aus dem Mittleren Osten und Nordafrika von ihren Arbeitsbedingungen.

Die Leiterin des Schwedischen Filminstituts, Anna Serner, lud zu einer Podiumsdiskussion mit den Regisseurinnen Jessica Hausner und Agnieszka Holland. Unter dem Titel 50/50 by 2020 – Global Reach wurde darüber gesprochen, welche Hürden noch zu überwinden sind, um gleichberechtigt arbeiten und neue Geschichten auf der Leinwand zu sehen zu können.
Gleichberechtigung in der Filmförderung ist einer der Schlüsselfaktoren für den Erfolg des Schwedischen Films, sowohl an der Kinokassa als auch bei Festivals – ohne Quoten. Norwegen, Kanada und Irland implementieren nun ähnliche Strategien.

Bei der Gender Recommendations Conference von EWA und Eurimages wurde ein Maßnahmenkatalog vorgestellt, der als zukünftige Recommendation des Europarates seine Mitgliedsländer zu Gender-Equality-Maßnahmen im audiovisuellen Sektor auffordern soll. Neben Maßnahmen zur Umsetzung, die sich an die Politik genauso richten wie an EntscheidungsträgerInnen und Förderstellen, werden Methoden zum Monitoring sowie Off screen- wie On screen-Performance Indicators vorgeschlagen, die jedes Mitgliedsland des Europarates sowie assoziierte Drittstaaten umsetzen sollten. Voraussichtlich im September wird dieser Vorschlag dem Ministerrat vorgestellt und kann bei positivem Bescheid Ende des Jahres in Kraft treten. Grundlage dieser vorgeschlagenen Maßnahmen ist unter anderem die paneuropäische Studie Where are the women directors in European films? von EWA.